Da werden die mordenden Nationalsozialisten schon mal zu, ach ja, »Sozialisten«, wird ein Genozid zu einem ornithologischen Exkrement, scheint man vergessen zu haben, dass die »Umarmungstaktik« dazu führen kann, dass man erdrückt wird.
Angesichts der menschengemachten und nicht menschengemachten Katastrophen hat die sog. »Positive Psychologie« Aufwind, erscheint sie doch - wie jeder verkäufliche (und nicht zwingend gute) Ratgeber mit einem »Glücksversprechen«! Man geht sogar soweit, von Glücksforschung zu reden und Speakerinnen und Speaker verkünden standfest lächelnd die »Glücksformel«: 50 % der Fähigkeit zum Glück seien, dieser »Formel« nach, »genetisch bedingt«, 10 % hingen von den äußeren Lebensumständen ab und - tada - 40 % hat man also selber in der Hand! Gerne werden diese Zahlen auch in überzeugender Tortendiagramm-Powerpoint-Manier an die Wände der Gemeindesäle projiziert! Also bitte, wenn das nichts ist! 40% sind selber zu schmieden. Unglücklicherweise ist die »Formel« eine Irreführung, ursprünglich von Autoren veröffentlicht, die hier ihren »Glauben« präsentieren, ihren Glauben an die drei Tortenstücke. Einen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt es nicht.
So richtig ins Laufen gekommen ist die »Positive Psychologie« übrigens durch Martin Seligman, der die »Positive Psychologie« auf einem persönlichen Erweckungserlebnis gründet. Zuvor hatte Seligmann sich übrigens mit dem sog. Konzept der »erlernten Hilflosigkeit« einen Namen gemacht, bei dem er Hunde derart furchtbar gequält hat, dass ich das hier gar nicht noch einmal wiedergeben möchte (s. a. Pflichthofer, »Die Psychoindustrie« 2024). Aber hey….wir gucken ja nur nach vorn! Was kümmert uns also das Gestern.
Die »Positive Psychologie« ist sogar in das berühmte Gallische Dorf eingezogen. Aber schön widerständig wie diese Gallier sind, haben sie das Konzept enttarnt. Doch hierzulande steht die Enttarnung noch aus. Nicht umsonst ist eine überaus positive Einstellung bei CEOs gefragt, am liebsten so positiv, dass man all die Arbeitsbelastung nicht mehr spürt.
Nun ist es ja ohne Frage eine wichtige menschliche Fähigkeit, wenn man das Glas auch als halbvoll erkennen, wenn man sich an schönen Dingen aufrichten und erfreuen kann und die Fähigkeit zur Dankbarkeit besitzt. Die Geister dürften sich an der Frage scheiden, ob denn eine solche Dankbarkeit »antrainierbar« ist, z. B. indem man treu und brav sein Dankbarkeitstagebuch füllt. So hat sich die Welt vielleicht ein ein bisschen verändert. Vertraute man früher seinem Tagebuch auch all die schlimmen Gefühle an, so muss man sich heute nach dem Positiven durchforsten.
Wenn alle um einen herum aber so super positiv sind und man selber gerade nicht, dann ist das ein bisschen so, wie nüchtern auf einer fortgeschrittenen Silvesterparty zu sein.
Diese kann man im Zweifel verlassen.
Aber was, wenn man leider gerade eine schwere somatische Erkrankung hat?
Oder wenn man eine Depression hat?
Im Übrigen führt der »Gute-Laune-Zwang« womöglich auch zu einer inflationären Verwendung des Depressionsbegriffes, denn nicht jeder Mensch der traurig ist, hat - Gott sei Dank - eine Depression. Im Gegenteil! Wer wirklich trauern kann, hat ein geringeres Risiko depressiv zu werden. Das Schlimme an der Depression ist ja gerade, dass man oft nichts mehr fühlen kann. Ein absolut furchtbarer Zustand.
Besonders kritisch sehe ich die Tendenz, sog. »negative« Gefühle zu pathologisieren, möglicherweise ein Resultat der »Positive-Psychologie-Inflation«: Es wird suggeriert, es stimme etwas nicht mit einem, wenn man »negative« Gefühle hat, also sucht man nach einer Diagnose, die dann gerne als »genetisch« bedingt gesehen wird. So sagte mir einmal allen Ernstes eine Frau im mittleren Alter: »Meine schlechte Laune ist angeboren«!
Wir verlernen womöglich den Umgang mit den schmerzhaften, spannungsreichen und »dunklen« Gefühlen. So kann man auch eine Tendenz beobachten, solche Gefühle, beispielsweise Frustration, von Kindern fernhalten zu wollen, weil man die Kleinen andernfalls »traumatisierten« würde. Auch das eine inflationäre Begriffsverwendung, die dazu führt, dass wichtige diagnostische Kriterien ihre Aussagekraft verlieren könnten. Wäre es nicht viel wichtiger, Kindern altersentsprechende und altersangemessene Frustrationen (z. B. einen Wettkampf zu verlieren) zuzumuten und sie dabei von gesunden Erwachsenen begleiten zu lassen, so dass sie die Fähigkeit erwerben können, mit - im Leben unvermeidlichen - schmerzhaften Gefühlen umgehen zu können und lernen, sich zu regulieren, durchaus mit Hilfe anderer (leibhaftiger) Menschen?
An alle da draußen, die gerade Angst haben, traurig, krank, verlassen, unglücklich, wütend, neidisch, eifersüchtig, verzweifelt sind: Das sind menschliche Gefühle, die einen Platz brauchen. Letztlich gehören sie auch zum Lebendig-Sein. Und sie haben meistens eine Geschichte zu erzählen; eine Geschichte, die gehört und verstanden werden will.
Man ist deswegen auch nicht sofort zwingend krank. Aber es lohnt sich auf jeden Fall darüber zu sprechen, und das gerne auch mit Menschen, die sich damit auskennen.
Ein Gefühl verändert den Lauf der Welt noch nicht - erst das Ausagieren desselben.
Zurückschauen hilft häufig durchaus beim Verstehen.
Ich kann versichern: In den über 20 Jahren, in denen ich jetzt ärztlich und psychotherapeutisch tätig bin, ist noch kein einziger Patient bei mir zu einer Salzsäule erstarrt!